Des einen Freud ist des anderen Leid. Das ist im Fußball nichts Ungewöhnliches, kommt aber selten so grausam und zukunftsweisend zutage wie in der Relegation. Ein Zweitliga-Team kämpft nach einer starken Saison gegen einen bis dahin schwachen Bundesligisten um den letzten Teilnahme-Platz für die kommende Spielzeit im Oberhaus. Aber ist das wirklich fair?
Klar: Der VfB Stuttgart war in beiden Partien die bessere Mannschaft, trat vor allem beim 3:0-Hinspiel-Erfolg bärenstark auf. Obwohl sich der Hamburger SV nie aufgab, hatte er der neu-entfachten Spielfreude der Schwaben zu selten etwas entgegenzusetzen.
Relegation: Der 1. FC Köln einer von vielen glücklichen Bundesligisten
Doch auch wenn der Meister von 2007 die Relegation verdientermaßen für sich entschieden hat, wäre der Abstieg nur die logische Folge einer enttäuschenden Spielzeit gewesen. Da kann auch der 1. FC Köln ein Lied von singen!
Ganze vier Trainer benötigte es, um dem Spiel der Stuttgarter neues Leben einzuhauchen. Nach etlichen Missverständnissen und katastrophalen Auftritten ging es erst unter Neu-Coach Sebastian Hoeneß bergauf. Und dennoch: Die wenigsten Siege aller Bundesligisten (sieben, wie auch Hertha BSC und Schalke 04), 57 Gegentore und lediglich 33 gesammelte Punkte – das ist die Bilanz eines Absteigers!
Der Hamburger SV hat hingegen eine starke Runde in Liga zwei gespielt, auch beim fünften Bundesliga-Anlauf eine schlagkräftige Truppe auf die Beine gestellt und den direkten Aufstieg nur knapp sowie höchst dramatisch in allerletzter Sekunde verpasst.
Selbst bei all der Witzelei darüber, dass der Chaos-HSV schon wieder gescheitert ist, muss wohl sogar der missgünstigste Fußball-Fan einsehen: Der Klub gehört längst in die Erstklassigkeit zurück! Wenngleich: Gerade beim einstigen Bundesliga-Dino ist jetzt womöglich das Schicksal im Spiel, als der Noch-Erstligist sich 2014 und 2015 nach Katastrophen-Spielzeiten selbst durch die Relegation gerettet hatte. In diesem Jahr jubelte dank der Relegation am Ende der VfB als Erstliga-Vertreter, wie schon zahlreiche Bundesligisten vor ihm. Beispielsweise eben auch der 1. FC Köln.
Ja, dieses Gefühl kennen die FC-Fans nur zu gut: Im letzten Moment noch einmal den Kopf aus der Schlinge gezogen – trotz einer hundsmiserablen Saison. Aber ganz ehrlich: Das damalige Team von Markus Gisdol und Retter Friedhelm Funkel hätte den Abstieg genauso verdient gehabt, wie ein stark-aufspielendes Holstein Kiel zu jener Zeit den Aufstieg.
Das Ergebnis der Relegation 2021 ist bekannt. Am Ende reichte sogar nur ein guter Auftritt der Kölner, um die Kieler, denen im Rückspiel nach einer kräftezehrenden Zweitliga-Spielzeit die Puste ausgegangen war, unten zu halten. Ein guter Auftritt, der die schwache FC-Saison plötzlich irrelevant werden ließ.
Dabei ist der Gedanke der Relegation ja eigentlich ein simpler: Das bessere Team verdient sich den Platz in der Bundesliga – ergibt zumindest in der Theorie so weit Sinn. Aber verlieren bei dieser Betrachtungsweise nicht jegliche Auf- und Abstiegsplätze an Bedeutung? Schließlich hätte es dieser Logik nach jeder Bundesligist verdient, die Klasse zu halten, sofern er sich gegen einen potenziellen Zweitliga-Aufsteiger durchsetzen kann. Und lässt sich die komplette Saison überhaupt auf diese beiden Spiele reduzieren?
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Dem Zweitligisten die Erstligatauglichkeit abzusprechen, nur weil er sich in zwei entscheidenden Partien, in denen so ziemlich alles passieren kann, nicht gegen einen Bundesligisten durchsetzen konnte, ist unfair! Nicht vergessen werden darf dabei auch, dass der Erstligist vollkommen andere finanzielle Möglichkeiten hat, seinen Kader für die höchste Spielklasse zu gestalten. Der Zweitligist nutzt seine stark begrenzten Gelder hingegen, um eben eine starke Zweitliga-Mannschaft zu formen.
Der Umbau zum Erstliga-Team wäre ja erst mit dem erfolgreichen Aufstieg möglich – und eben dem entsprechenden finanziellen Spielraum, der damit einhergeht. Wieso wird dem Drittplatzierten der zweiten Liga also jedes Jahr aufs Neue ein Bundesligist als finale Hürde präsentiert, der ihn in den meisten Fällen um den wohlverdienten Lohn bringt?
Irre Statistik zeigt, wie ungerecht die Relegation ist
Die Frage, ob die Relegation gerecht ist oder nicht, spaltet Fans und Klubs bereits seit vielen Jahren. Seit dem 9. Oktober 2007, um genau zu sein, als die DFL beschloss, die zwei Entscheidungs-Spiele für die obersten drei deutschen Ligen wiedereinzuführen (zuvor gab es die Relegation bereits von 1982 bis 1991). Von einer Spaltung kann dabei aber eigentlich kaum die Rede sein, ist die Meinung vieler Fans doch seit jeher sehr eindeutig: Die Relegation gehört abgeschafft!
Im Mai 2009 fanden die ersten beiden Partien der neu-auferlegten Relegation statt, in denen sich der 1. FC Nürnberg gegen Energie Cottbus behaupten konnte. Es sollte einer von bis heute schlappen drei(!) Erfolgen eines Zweitligisten gegen einen Bundesligisten in der Relegation sein (neben Nürnberg 2009 auch Düsseldorf 2012 und Union Berlin 2019). Zwölfmal setzte sich das oberklassige Team durch.
Doch so schön es irgendwo aus neutraler Sicht auch ist, wenn Traditionsvereine wie Stuttgart (2023), Bremen (2020), Frankfurt (2016), Gladbach (2011) oder Köln (2021) der Bundesliga erhalten bleiben: Gerechtigkeit sieht anders aus. Letztendlich reicht es dann eben doch, den Trainer während einer Saison so oft zu ersetzen, bis ein zumindest finanziell für die Bundesliga gerüstetes Team eine Zweitliga-Mannschaft in den beiden Entscheidungs-Spielen so gerade noch schlagen kann.
Sehen Sie hier alle Spiele der Relegation seit 2009:
Denn für den Bundesligisten ist die Relegation eine Chance. Eine Chance, die eigentlich schon verkorkste Spielzeit auf den letzten Drücker irgendwie doch noch zu retten. Eine Chance auf eine Belohnung, die er eigentlich nicht verdient. Der Abstieg täte natürlich weh, doch wäre er nur das logische Ergebnis einer kompletten unzureichenden Saison-Leistung. Für den Zweitligisten ist die Relegation hingegen eine Strafe: Gelingt der Aufstieg nicht, kehrt sich eine eigentlich starke Spielrunde kurzerhand in eine enttäuschende um.
Das Scheitern wäre nicht nur mit einem komplett neuen Anlauf verbunden, abermals unter die drei (oder besser zwei) besten von 18 Teams in einer stets engen Liga zu kommen, sondern im Regelfall auch mit einem Umbruch und dem Verlust zahlreicher Leistungsträger. Schließlich haben sich etliche Spieler mit ihrer Performance für Höherklassiges empfohlen …
Letztendlich zeigt die Relegation, was im Fußball falsch läuft. Denn statt den über 34 Spieltage wohlverdienten Auf- und Abstieg des jeweiligen Teams zu gewährleisten, müssen noch zwei Entscheidungsduelle her, in denen alles auf dem Spiel steht. Mehr Spannung, mehr Spiele – und damit natürlich mehr Einnahmen für die DFL. Dass dies dem unterklassigen Team leider nicht gerecht wird, ist dabei egal.
Die benachteiligten Klubs beschweren sich seit Jahren vergebens. Die Geld-Gier der DFL steht ihnen im Weg. Und so werden es wohl auch weiterhin Teams wie Hamburg, Nürnberg, Hannover, St. Pauli, Düsseldorf und viele weitere möglichst schwer haben, in die Bundesliga zurückzukehren – selbst, wenn die Saison diese Krönung verdient hätte. (gr)
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